Citizen Science

Kleiner Specht – große Rolle

Projektpartner: DBU, SGN, LBV, HGON, DDA, Bayerischer Naturschutzfonds

„Kleiner Specht – große Rolle“ ist ein Citizen Science-Projekt zum Kleinspecht in Hessen und Bayern. Das bedeutet, dass interessierte Bürgerinnen und Bürger mitforschen und helfen können, Kleinspechte bzw. Daten zu deren Vorkommen und Brutgewohnheiten in größerer Menge zu sammeln. Unter der Federführung von Dr. Kerstin Höntsch von der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) wird in enger Kooperation mit dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) ein Projekt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und dem Bayerischen Naturschutzfonds von 2021 bis 2023 finanziert. Dies erfolgt in enger Kooperation mit der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON), dem Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) sowie den bayerischen und hessischen Forstbehörden.

Wer Spaß an der Vogelbeobachtung hat und sich gerne einer anspruchsvollen ornithologischen Aufgabe stellen möchte, ist herzlich eingeladen mitzumachen!

Ziele des Projekts

Ziele des Citizen Science-Projekts sind, die Kleinspechtvorkommen in Hessen und Bayern zu erfassen und durch Jahresvergleiche Bestandstrends abschätzen zu können. Die Brutbiologie wird intensiv untersucht, da die Brutzeit wahrscheinlich die kritische Phase im Spechtleben ist. Die Kombination von Bruterfolg und Ausstattung der Bruthabitate kann Rückschlüsse ermöglichen, welche Lebensräume für die Kleinspechte besonders wertvoll sind. 

An die Untersuchungen werden sich Empfehlungen für Schutz- und Fördermaßnahmen des Kleinspechts anschließen.

Hintergrund

Kleinspechtmännchen im Schilf

Der Kleinspecht ist eine sehr charismatische Vogelart und begeistert alle, die das Glück haben, ihn beobachten zu dürfen. Er steht für strukturreiche Wälder, Feld- und Ufergehölze sowie alte Streuobstwiesen mit hohem Totholzanteil und nimmt in diesen Ökosystemen eine wichtige Schlüsselfunktion für viele Höhlenbewohner ein. Der nur spatzengroße Specht lebt jedoch unauffällig und gilt gemeinhin als schwierig zu erfassende Vogelart. Für Deutschland liegen wenig verlässliche Zahlen zu den Beständen vor. Es gibt einige Anzeichen, die auf eine stete Abnahme des Kleinspechts hinweisen. In Großbritannien sind Bruterfolg und Bestände seit Ende des 20. Jahrhunderts dramatisch eingebrochen – die Gründe dafür sind bisher kaum wissenschaftlich erforscht. Ob es auch in Deutschland ähnlich dramatische Entwicklungen gibt und was für den Schutz des Kleinspechts unternommen werden kann, soll im Rahmen des Projekts erarbeitet werden.

Methoden

Schulung über Zoom

Citizen Scientist-Schulungen

Spechtinteressierte, Bürgerwissenschaftler:innen, sogenannte Citizen Scientists, werden nach ihrer Anmeldung jeweils zu Beginn der „Spechtsaison“ in mehreren Schulungen umfassend und anschaulich über die heimischen Spechtarten, insbesondere den Kleinspecht, informiert und mit den technischen Details zur Dateneingabe ins ornitho-Portal ausgestattet. Danach sind die Citizen Scientists mit dem nötigen Wissen ausgestattet, um Kleinspechte erkennen und kartieren zu können und dies digital festzuhalten. Zur Anmeldung ist also kein ausgeprägtes Fachwissen, Biologiestudium oder Ähnliches nötig, es reichen die Begeisterung für Natur und Spechte und der Wille, längerfristig und zuverlässig am Projekt mitzuarbeiten.

Citizen Scientists auf der Suche nach Kleinspechten

Kartierung

Das Kleinspecht-Projekt ist eingebettet in das bundesweite Spechtmonitoring des DDA, konzentriert sich aber speziell auf den Kleinspecht. Das erworbene Wissen wird jährlich bei zwei Kartierterminen vom 21. Februar bis 20. April angewendet. Entlang vorher festgelegter individueller Routen werden Kleinspechte kartiert. Dabei wird eine standardisierte Klangattrappe über eine tragbare Lautsprecherbox abgespielt. Klangattrappen sind akustische Lockrufe, die in der Wissenschaft bei der Erhebung schwierig zu erfassender Tierarten zum Einsatz kommen. Eine Kartierroute umfasst wenigstens 1,2 km und besteht aus mindestens fünf und höchstens 21 Stopps, die in einem Abstand von circa 300 m zueinander liegen.
Die ornithologischen Landesverbände haben zusammen mit dem Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) das sogenannte „Specht-Modul“ auf ornitho.de gestartet, anhand dessen ein landesweites Spechtmonitoring aller Arten ermöglicht wird.
Auch im Rahmen unseres Projekts nutzen wir das DDA-Spechtmodul für die Kleinspechtkartierung. Gerne können neben Kleinspechten auch weitere Spechtarten kartiert werden. Wichtig ist aber, dass über mehrere Jahre die gleichen Vogelarten kartiert werden.

Jungvogel (ca. 18. Nestlingstag) schaut aus der Bruthöhle

Bruthöhlensuche und Beobachtung

Da wir im Projekt auch an der Brutbiologie interessiert sind, machen wir eine dritte Begehung der Route. Bei dieser Begehung (im Kleinspecht-Projekt erfolgt eine mehr als im Spechtmonitoring des DDA) wird von Ende April bis Mitte Mai ein besonderes Augenmerk auf die Bruthöhlensuche gelegt. Es wird besonders auf Anzeichen geachtet, die auf einen möglichen Bruthöhlenbau bzw. das Brutgeschehen des Kleinspechts hindeuten könnten. Zusätzlich wird an jedem Stopppunkt eine Charakterisierung des Lebensraumes mithilfe eines spezillen Habitatbogens vorgenommen.
Alle gefundenen Kleinspechthöhlen werden zur Erfassung brutbiologischer Daten beobachtet und, wenn erreichbar, kurzfristig mit einer speziellen Höhlenkamera eingesehen. Die Untersuchungen schließen das Ermitteln der Gelegegröße sowie den Bruterfolg der Kleinspechte ein. 

Ergebnisse

Citizen Scientists bei der Höhlenbeobachtung

Citizen Scientists

Seit Projektstart 2021 haben sich fast 300 Citizen Scientists im Projekt engagiert. Davon sind etwa 1/3 in Hessen und etwa 2/3 in Bayern aktiv. Über eine interne Chat-Gruppe findet insbesondere während der Saison ein reger Austausch der Teilnehmenden über Beobachtungen und Bilder statt sowie die zügige Beantwortung von Fragen, die im Rahmen der Projektarbeit entstehen.

  • Spechtrouten in Hessen

Wo befinden sich die Kleinspechtrouten?

Die Citizen Scientists legen standardisierte Routen mit mindestens fünf bis maximal 21 Kartier-Stopps an, die jährlich begangen werden. Die Verteilung der Routen (blaue und rote Punkte) ist abhängig von den Wohnorten der Teilnehmenden. In Bayern lassen sich zwei Ballungsräume bei Nürnberg und München feststellen. Auch in Hessen sind zwei Ballungsräume, um Frankfurt und Gießen, zu erkennen.
Details zur Farbgebung der Kleinspechtrouten: Jeder Punkt auf der Karte entspricht einer Spechtroute und ist Teil des Citizen Science-Projekts (CS) „Kleinspecht“. Auf den blau eingefärbten Routen wurden bereits Kleinspechte gefunden, auf den roten Routen (noch) nicht.

In welchen Lebensräumen wird nach Kleinspechten gesucht?

Verteilung der 1.224 Kartier-Stopps auf Lebensräume

Von rund 200 Routen wissen wir, in welchen Lebensräumen die Stopps liegen, an denen Kleinspechte gesucht werden. In Hessen (rote Säulen) liegt die Mehrheit der Stopps in Laub- und Mischwäldern sowie in Streuobstwiesen. In Bayern (blaue Säulen) ist ein klarer Schwerpunkt in Misch- und Auwäldern zu erkennen.

Bruthöhlen

Mithilfe der Citizen Scientists konnten seit Projektstart 39 aktive Kleinspecht-Bruthöhlen gefunden werden: 14 in Bayern und 25 in Hessen. Beim Anlegen der Bruthöhle sind die Kleinspechte nicht besonders wählerisch bei der Baumart oder der Höhe, in der gezimmert wird.

Die Bruthöhlen lagen zwischen 2 und 27 m hoch. Im Durchschnitt betrug die Höhlenhöhe 8,6 m. In Bayern wurden die meisten Höhlen in den Baumarten Erle, Weide und Pappel angelegt, die vermehrt in Auwäldern vorkommen. In Hessen hingegen gibt es weniger Auwälder, hier wurden die meisten Kleinspechthöhlen in Laubwäldern und Streuobstwiesen gefunden. Die häufigsten Baumarten zur Höhlenanlage waren Buchen in den Laubwäldern und Apfelbäume in den Streuobstwiesen.

Baumarten, in denen Höhlen angelegt wurden und die Höhe der Bruthöhlen (n = 36)

Bei der Ausrichtung des Einfluglochs der Bruthöhle zeigt sich eine Tendenz in Richtung südliche und östliche Richtung. Scheinbar ist die Wärme der Morgensonne bei den Kleinspechten beliebt. Aber auch in Richtung Norden und Westen wurden Höhlen angelegt.

In erster Linie kommt es bei der Wahl des Höhlenstandortes darauf an, dass das Holzsubstrat zum Höhlenbau geeignet, also weichmorsch ist. Immerhin meißeln die Kleinspechte ihre Höhle zwischen 15 und 25 cm tief. In welcher Höhe sich die Höhle im Baum befindet und in welche Himmelsrichtung der Eingang zeigt, ist dann wahrscheinlich eher sekundär.

Ausrichtung der Bruthöhlen (n = 37)

Bei 33 Bruthöhlen konnte beobachtet werden, ob die Bruten der Kleinspechte erfolgreich waren, oder nicht. Von den 33 Höhlen waren zwei Drittel, also 22 erfolgreich, neun leider nicht. Neben Schlechtwetterereignissen und einem Vorfall von Prädation wahrscheinlich durch Gartenschläfer, waren Buntspechte der häufigste Grund für den Misserfolg. Buntspechte hacken häufig Kleinspechthöhlen auf, um sie entweder selbst als Bruthöhle zu nutzen oder um an die jungen Nestlinge zu kommen, die eine leichte Beute sind.  

Es hat sich gezeigt, dass die Anzahl an stehenden toten Bäumen in unmittelbarer Umgebung der Bruthöhle mit dem Erfolg der Brut korreliert. Nicht nur wurden deutlich mehr Höhlen dort angelegt, wo es fünf und mehr tote Bäume gab, auch die Erfolgschancen waren höher. Während der Bruterfolg bei keinen bis vier toten Bäumen in Höhlenumgebung bei 50 % lag, waren es bei fünf bis 20 toten Bäumen in Höhlenumgebung schon 70 % und bei mehr als 20 toten Bäumen sogar 90 %. Da Kleinspechte auf morsches, totes Holz angewiesen sind, haben sie bei einer größeren Anzahl an toten Bäumen mehr Auswahlmöglichkeiten und vor allem mehr Ausweichmöglichkeiten, wenn beispielsweise Buntspechte die frisch gezimmerte Kleinspechthöhle übernehmen sollten. Viel stehendes Totholz scheint somit sehr wichtig für Kleinspechte zu sein: Zum einen können die Spechte nur in Totholz ihre Höhlen zimmern, viel Totholz fördert den Bruterfolg und bietet eine reichtliche Nahrungsgrundlage.

Bruterfolg in Abhängigkeit von stehenden toten Bäumen in Höhlenumgebung (n = 33)

Brutphänologie

Die Höhlen wurden während der gesamten Brutzeit entdeckt. Die früheste Entdeckung einer Höhle gelang bereits am 12. April. Aber auch gegen Ende der Brutzeit können noch aktive Höhlen entdeckt werden, wenn die Jungen kurz vor dem Ausflug sind und die Bettelrufe aus den Höhlen zu hören sind. So konnten auch noch am 4. Juni Kleinspechthöhlen gefunden werden.

Im April fangen die Kleinspechte an, ihre Höhlen zu zimmern. Ist die Höhle fertig gezimmert, legt das Weibchen jeden Tag ein Ei, bis das Gelege vollständig ist. Während dieser Zeit schläft das Männchen nachts in der Höhle und bewacht das unvollständige Gelege. Kurz bevor es in die Höhle verschwindet, trommelt es oft noch in der Nähe der Bruthöhle. Das kann Ende April/Anfang Mai ein guter Hinweis auf eine Bruthöhle sein kann. Sobald das Gelege vollständig ist, bebrüten beide Elternteile das Gelege für 10 bis 12 Tage im Wechsel. Die Küken schlüpfen im Durchschnitt Anfang bis Mitte Mai und werden gut drei Wochen lang in der Höhle gefüttert, ehe sie dann, Ende Mai bis Anfang Juni, ausfliegen und mit ein bisschen Glück noch mehrere Tage im Familienverband zu beobachten sind.

Zeitliche Abfolge der Brutphänologie

Citizen Scientists gesucht!

Wer bereits beim Spechtmodul des DDA mitmacht und Lust hat, sich bei der Kartierung und Erforschung der Kleinspechte zu beteiligen, kann sich hier anmelden!
Rückfragen gerne per E-Mail an kerstin.hoentsch@senckenberg.de